Wie man auch im Unterschriftenbogen nachlesen kann, fordert unser Bürgerbegehren „Verkehrsberuhigung mit Augenmaß“:
- zur Verkehrsberuhigung in Lichtenberg weder Poller noch Teileinziehungen bisheriger öffentlicher Straßen oder sonstige Maßnahmen einzusetzen, die den Zugang von Pkw zu den betroffenen Gebieten einschränken,
- bestehende, den Zugang einschränkende Maßnahmen, wie die Teileinziehung der Stadthausstraße und den aufgestellten Poller, unverzüglich rückgängig zu machen bzw. zu entfernen,
- für jeden wegfallenden Parkplatz, der zuvor genutzt wurde, einen Ersatzparkplatz zu schaffen,
- im Rahmen einer transparenten Beteiligung alle Betroffenen in geeigneter Form zu informieren, bevor Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung angeordnet werden, und Möglichkeiten zu schaffen, dass alle Betroffenen (mindestens Anwohner und Gewerbetreibende, auch anliegender Kieze, Durchfahrende, Feuerwehr, Polizei, BVG, BSR und Deutsche Post) sich zu den Maßnahmen äußern und Verbesserungsvorschläge unterbreiten können,
- vor der Anordnung von Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung deren Auswirkungen auf die umliegenden Straßen und Verkehrsflüsse sowie auf das ansässige Gewerbe und Anlieger zu untersuchen und darzulegen.
Begründung
Nachteile durch Straßensperrungen
Kiezpoller bescheren einigen eine ruhige Straße, aber direkte Nachbarn und Bewohner umliegender Kieze werden davon umso mehr belastet. Der Verkehr verpufft nicht durch das Sperren von Straßen – er wird auf die verbleibenden umliegenden Straßen verschoben. Dort machen Verkehrsteilnehmer Umwege, stehen häufiger im Stau und die Kieze dieser Straßen werden zusätzlich mit Lärm, Luftverschmutzung und Unfallgefahr belastet. Nachbarn müssen auf dem Weg zur Arbeit oder zu Freizeitaktivitäten längere Strecken fahren und brauchen teilweise täglich 60 Minuten und mehr zusätzliche Zeit für diese Wege. Auf das Fahrrad oder den ÖPNV umzusteigen, würde meistens noch mehr Zeit beanspruchen und ist oft gar nicht möglich. Wenn z. B. Werkzeug oder Instrumente transportiert werden müssen, bei schlechtem Wetter oder wenn es die körperliche Verfassung aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zulässt, kommen Fahrradfahren und ÖPNV-Nutzung nicht in Frage. Außerdem beschleunigen die sogenannten Kiezblocks (so werden die abgesperrten Kieze genannt) die Gentrifizierung, da Einwohner verdrängt werden, die auf ungehinderten Pkw-Zugang angewiesen sind, und weil die Mieten nach der Verkehrsberuhigung steigen.
Probleme für ansässiges Gewerbe
Gewerbetreibende können bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes wegen des fehlenden Durchgangsverkehrs verlieren. Bei gleichbleibenden Kosten ist das existenzbedrohend. Die Gewerbetreibenden haben teilweise zehnjährige und längere Mietverträge. Die Änderung ihrer Lage von einer Durchfahrtsstraße zu einer Sackgasse führt zur Insolvenz – der Firma und auch privat. Hinzu kommt, dass nicht nur für die Kunden die Wege zu den Unternehmen länger werden, auch Angestellte und Lieferanten benötigen mehr Zeit und haben höhere Kosten.
Bedenkliche Umsetzung der Kiezblocks
Der gemeinnützige Verein Changing Cities e.V. (CC) verfolgt das Ziel einer „Verkehrswende von unten“. Um für einige Menschen Ruhe in einer Stadt zu schaffen, werden Strukturen des täglichen Lebens wie Handwerk, Warenlieferung, Feuerwehr, schnelle medizinische Hilfe, Pflegedienste, Seniorenbetreuung, ÖPNV, Taxis und viele weitere eingeschränkt. CC hat bereits 70 sogenannte Kiezblock-Initiativen in Berlin angestoßen. Drei davon befinden sich in Lichtenberg: Kaskelkiez, Weitlingkiez und Alt-Lichtenberg. Weitere sollen folgen.
Augenmaß statt Aktionismus
Der angestrebte Bürgerentscheid richtet sich nicht pauschal gegen Verkehrsberuhigung. Diese kann sinnvoll und sogar notwendig sein. Mit dem Entscheid soll sichergestellt werden, dass keine unverhältnismäßigen Maßnahmen ergriffen werden. Anstatt Straßen für den Pkw-Verkehr komplett zu sperren, sollten Bodenschwellen, wie z. B. Berliner Kissen, Fußgängerüberwege oder punktuelle Straßeneinengungen genutzt werden.
Bedrohliches Fernziel der bisherigen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen
Fernziel der „Verkehrswende von unten“ ist es, den individuellen Pkw-Verkehr aus den Städten zu verbannen. Es wird unterstellt, dass alle Menschen bei jedem Wind und Wetter mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV ausreichend mobil sein können. Das ist falsch. Die Zukunft gehört umweltfreundlichen Antriebstechnologien und dem autonomen Fahren, aber nicht dem Versperren des kürzesten Weges durch Poller. Kiezblocks sind keine Projekte mit einem positiv nach vorn gerichteten Zukunftsziel. Wer die Vision attraktiv findet, in einem Dorf zu leben, möge bitte in ein Dorf ziehen, aber nicht den Städten ihren urbanen Charakter, ihre Lebendigkeit und ihre Funktionalität nehmen.