18. Januar 2025, Berliner Morgenpost.
Das Ladensterben von Weissensee. Kiezblock nur ein „Sündenbock“?
„Direkt nach Start der Zone, die an die Berliner Allee grenzt, habe sie in der Kasse ihres sonst gut laufenden Geschäfts nur noch etwa 200 Euro am Tag gehabt. „Das kannte ich überhaupt nicht“, erzählt sie. Von reiner Laufkundschaft aus dem Kiez konnte sie nicht leben. Kunden riefen an, dass sie nicht mehr zum Laden durchkämen. Es fehlten diejenigen, die sonst mit Auto anreisten. „Die für ihre Firma einen vierstelligen Betrag dalassen. Oder die, die im Speckgürtel wohnen, was aufs Grundstück mitnehmen, eine Feier ausrichten und für mehrere hundert Euro einkaufen“, sagt sie. Der Umsatz sei konstant um etwa 30 Prozent eingebrochen.
Ihr Feinkostladen ist nicht das erste Geschäft, das seit Realisierung des Kiezblocks aufgeben musste. Vor einem Jahr habe ein Weinladen schließen müssen, erzählt Strehlow. Dort befindet sich nun ein Späti. Danach habe es einen kleinen Blumenladen getroffen, zwei Cafés, einen Wäscheladen. Ein Ladensterben „im Zuge des Kiezblocks“, da hat sie keine Zweifel. Ganz im Gegensatz zum Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung, Cornelius Bechtler (Grüne). Den hatte Strehlow im Herbst 2023 im Laden, erzählt sie. „Wir waren 22 Gewerbetreibenden aus dem Kiez. Von ihm kam wirklich: Es ist ihm egal, er zieht sein Verkehrsprojekt durch.““
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15. Januar 2025, Berliner Kurier.
Autos fahren zickzack.
Wut-Stau der Händler wegen Poller-Chaos am Ostkreuz.
„Das neue Verkehrskonzept rund um das Ostkreuz in Berlin-Friedrichshain sorgt für erhebliche Spannungen. Besonders bei Händlern und Unternehmen. Betroffen von den umstrittenen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung ist auch das Unternehmen „Kinderevents Berlin“. Es geht um die Existenz. (…)
Nicht nur die Geschäftsführung von „Kinderevents Berlin“ sieht sich betroffen. Auch Einrichtungen für körperlich beeinträchtigte Menschen könnten Schwierigkeiten bekommen, da Pflegedienste in den geplanten Zonen nicht mehr mit Fahrzeugen vorfahren können.“
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18. Dezember 2024, Berliner Zeitung.
Feinkostladen in Weißensee schließt: „Danke an die Grünen – wegen des Kiezblocks“.
„In Pankow muss ein beliebter Feinkostladen schließen. Für die Anwohner und Stammgäste ist das ein Zeichen gescheiterter Grünen-Maßnahmen. Trotz der großen Kundschaft an diesem Vormittag muss der Laden an der Berliner Allee nach 16 Jahren schließen. Schuld daran, davon ist die Inhaberin überzeugt, sei der Kiezblock im Komponistenviertel des Bezirks Pankow, an dessen Grenze ihr Laden liegt. (…)
Für die Gewerbetreibenden sei das nach der Einrichtung 2023 schnell zum Problem geworden. Strehlow will den Rückgang der Kundschaft ab Tag eins bemerkt haben. „Ich stand hier und denke mir, puh 200 Euro in der Kasse, das ist ja komisch.“ Nach einer Woche meldeten sich andere Gewerbetreibende mit dem gleichen Problem.“
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/feinkostladen-in-weissensee-schliesst-bleibt-wegen-eines-kiezblocks-die-kundschaft-aus-li.2282356
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18. November 2024, B.Z.
Polizisten fahren jetzt mit Poller-Karte durch Friedrichshain.
„Doch kommen die Polizisten im Streifenwagen überhaupt noch rechtzeitig zu den Tatorten? Eine neue Karte soll den Beamten helfen, sich zurechtzufinden.
„Unsere Eintreff-Zeiten werden sich definitiv verlängern“, beklagt sich ein Polizist aus der Direktion 5. „Der ganze Kiez entwickelt sich durch die vielen Diagonalsperren und Poller irgendwie zu einem kompletten Irrgarten.“ (…)
„Wir klappen auf dem Weg in unseren Einsätzen auch keine Poller um, die Feuerwehr auch nicht“, beschreibt der Polizist die Einsatzrealität. Bei der Menge an Diagonalsperren und Fußgängerzonen wären es auch immer mehrere Poller je Einsatz. Hinzu kommen die vielen Einbahnstraßen. Das Fazit des Beamten: „Wir fahren die Umwege.“
https://www.bz-berlin.de/berlin/poller-karte-polizei-friedrichshain
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29. April 2024, klimareporter
Wenn Stadtraum-Umgestaltung an manchen Lebensrealitäten vorbei geht.
„Das Auto ist nicht nur ein Transportmittel. Es spiegelt komplexe soziale, kulturelle und wirtschaftliche Strukturen wider, die unterschiedliche Communitys prägen. Wer eine gerechte Verkehrswende will, muss das beachten.
(…) Neben Gesprächsrunden mit Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Gewerbetreibenden konnte (…) eine Gruppe mit Frauen aus der Werner-Düttmann-Siedlung für ein Gespräch gewonnen werden. (Die Siedlung) wird bei Planungsverfahren oft nicht berücksichtigt, ist aber laut Klassifizierung im Berliner Umweltgerechtigkeitsatlas im Vergleich zum nördlichen Graefekiez besonders von hohen Luft- und Lärmemissionen betroffen. Viele Anwohner:innen beziehen Sozialleistungen. (…) Hier haben 75 Prozent der Bewohner:innen einen Migrationshintergrund.
(…) Besonders interessant waren die Antworten auf die Frage nach dem individuellen Mobilitätsverhalten. Einhellig wurde das Auto als das wichtigste Verkehrsmittel benannt.
Es wurde darauf verwiesen, dass ein Auto benötigt werde, um Lebensmittel einzukaufen oder die Kinder zu transportieren. Die begrenzte Verfügbarkeit eines Autos mache es schwierig, diese täglichen Erledigungen zu schaffen und dann auch noch die eigene Arbeit zu stemmen:
„Wir haben kein Auto mehr, … weil es einfach … zu teuer geworden ist und mit Parkplätzen (schwierig). Aber ja, trotzdem setzt er (der Vater) sich (gegen das Projekt) ein, denn er weiß ja selbst, wenn er einkaufen geht, kann er nicht vier Kisten Cola und fünf Kisten Wasser irgendwie von A nach B schleppen. Auch wenn wir als Großfamilie dann alle mitgehen und jeder einen Kasten schleppt, ist ja immer noch Einkauf da.“
Auf das Auto zu verzichten, ist für sie ein Luxus, den sich nicht jede erlauben kann. Sie verweist dabei auf die „reichen Bewohner des Bergmannkiezes“ im weiter westlich gelegenen Teil Kreuzbergs, die „Grünen“, die überall mit dem Fahrrad hinfahren.
Sich so bewegen zu können, sei auch ein zeitlicher Luxus. Denn das Auto heiße für sie auch, Zeit zu sparen. Zugleich würden genau diese Menschen, die im Alltag Fahrrad fahren, dann mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen.
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18. Juli 2024, Berliner Zeitung
Pollerbü-Ende in Mitte: Jetzt werden auch andere Anwohner vor Gericht ziehen.
„Einige Anwohner zogen gegen die Poller vor Gericht – und haben jetzt gewonnen. Einer der Bürger, die gegen das Bezirksamt Mitte einstweiligen Rechtsschutz beantragt haben, ist André Aimaq (56), Kreativdirektor in der Werbebranche. Er rechnet mit weiteren Gerichtsverfahren, die sich gegen Poller richten.
„Wir haben Kontakt mit Almut Neumann, der damals zuständigen Bezirksstadträtin von den Grünen, aufgenommen. Ihr Mitarbeiter sagte uns, dass die Tucholskystraße ein Unfallschwerpunkt sei. Als wir genauer nachfragten, wurde allerdings klar, dass es da in den vergangenen Jahren nicht mehr oder weniger Unfälle als an jeder anderen Kreuzung gegeben hat. Zudem hat der Bezirk die ganze Tucholskystraße betrachtet, nicht nur die Kreuzung. So groß ist die Gefahr an diesem Knotenpunkt nicht. Das Bezirksamt hat uns die Unwahrheit erzählt. Das fanden wir ziemlich krass.“
„Es geht nicht um Verkehrssicherheit, sondern um Ideologie, um eine Art Guerillakampf. Offenbar soll Mitte ein Museumsdorf werden, ein Rentnerparadies, in dem Zugezogene bestimmen. Was mich persönlich am meisten stört, ist die Gutsherrenart, mit der das grün regierte Bezirksamt vorgegangen ist.“
„Ich bin vor 20 Jahren aus Hamburg hierhergezogen. Und zwar nicht deshalb, weil ich in einer toten Wohngegend leben will, die sich abschottet. Doch genau das ist jetzt der Fall.“
„Als die Poller noch nicht standen, hat sich ein Bekannter gern in ein Café an der Kreuzung gesetzt, um dem bunten Treiben zuzuschauen. Das fand er schön. Für ihn war es vibrierendes Großstadtleben. Und obwohl da viel los war, gab es nie einen Unfall. Weil es Menschen anscheinend auch so schaffen, aufeinander Rücksicht zu nehmen.““
7. Juli 2024, Tagesspiegel
Gebildeter, reicher, weißer. Privilegierte treiben Stadt-Initiativen voran. Eine Studie an Berliner Kiezblock-Initiativen zeigt, dass Teilhabe nicht immer solidarisch ist.
„Einige der Anrainer fühlten sich aber überrumpelt, als der Poller im Dezember 2023 installiert wurde. (…) Die Kritik: vor dem Aufstellen seien nicht alle Anwohner gehört worden.
Aktivisten repräsentieren nicht die Stadtgesellschaft.
(…) Ein zentrales Problem von Grassroots-Inititativen (…), wie eine Befragungsstude des Potsdamer Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit (RIFS) nun zeigt: „Wir gehen davon aus, dass die Befragten einer privilegierteren sozialen Gruppe angehören, die über Ressourcen und Kapazitäten für ein freiwilliges Engagement verfügt, die anderen sozialen Gruppen möglicherweise nicht zur Verfügung stehen“, bestätigt das Forschungsteam (…).
Besonders typisch für ihre Nachbarschaften seien sie nicht: Ihr Einkommen liege 25 Prozent über dem Berliner Schnitt und mit 70 Prozent Akademikerquote sei der Bildungsstand überproportional hoch. (…) Sie sind jedenfalls ethnisch weniger divers als die sonstige Berliner Community: Nur 14 Prozent gaben an, dass Eltern oder Großeltern außerhalb der Grenzen Deutschlands geboren wurden, bei 39 Prozent der Stadtbewohner ist das normalerweise der Fall.“
Mai 2024, tip Berlin
Kann Berlin eine 15-Minuten-Stadt werden? Worauf wartet die Hauptstadt?
„Dieses Konzept hat sich 2016 – zumindest unter diesem Namen – der Kolumbianer Carlos Moreno ausgedacht, Urbanist an der Pariser Sorbonne. Und die dortige Bürgermeisterin Anne Hidalgo setzt es seit 2020 beherzt um, was zuallererst heißt: Raus mit dem Auto.“
„(…) Strukturen schaffen im Geiste einer 15-Minuten-Stadt funktioniert (…) auf lokaler Ebene besser. (…) Dabei unterstützt Changing Cities lokale Initiativen, die in ihren Kiezen zunächst eine Verkehrsberuhigung erreichen wollen, um dann weiterdenken zu können.“
„Die Leute merken dann, was ohne Verkehr alles möglich ist“, sagt Ragnhild Soerensen (Changing-Cities-Pressesprecherin). Straßen und Parkplätze könnten nun in Gärten verwandelt, der Kiez könnte zum verlängerten Wohnzimmer werden. Sie erzählt, wie in ihrer Heimatstadt Kopenhagen die Zahl der Parkplätze schrittweise reduziert und verteuert werde. „Es ist erschreckend, wie rückständig wir in Berlin sind“, sagt Soerensen.“
24. August 2024, Der Standard
Autos raus? Was nach der Parkraumbewirtschaftung kommt
„Der nächste Schritt nach der flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung ist eine weitere konsequente Verdrängung des Automobils aus den Großstädten. Selbst fortschrittliche Kleinstädte arbeiten bereits daran, die Blechlawinen in ihren Kernzonen zu entflechten, Einkaufszentren an der Peripherie zu entmachten (…)“
„Mit dem Thema Stadtauto im altbekannten Sinn setzen sich Autohersteller gar nicht mehr auseinander. Stattdessen laufen die Entwicklungen an dieser Stelle mit großer Konsequenz hin zu vollautomatischen Shuttle-Systemen. Diese Autos (…) werden uns aber nicht mehr gehören. Sie werden bereitstehen. Die Trennlinie zwischen privatem und öffentlichem Verkehr verschmilzt also bereits an den Rändern.“ (Rudolf Skarics)
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7. November 2024, B.Z.
Mitte-Krankenhaus St.Hedwig kämpft gegen noch mehr Poller
„Gefährdet die grüne Verkehrspolitik in Berlin sogar Menschenleben? Diesen Vorwurf erhebt ein großes Krankenhaus in Mitte – die Klinik wehrt sich gegen noch mehr Poller und Kiezblocks im Bezirk.
(…) Doch durch das Anhalten, Aussteigen und Aufschließen geht wertvolle Zeit verloren – obwohl bei Blaulicht-Einsätzen jede Sekunde zählt. Deshalb hat sich das St. Hedwig Krankenhaus (Rettungseinfahrt Krausnickstraße) an das Bezirksamt Mitte gewandt, weitere Poller und Kiezblocks seien eine Gefahr.“
https://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/krankenhaus-kaempft-gegen-poller